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Kriminologie

In der Kriminologie gibt es nicht viele Experten (über das immense umfassende Themengebiet der Kriminologie), jeder von ihnen aber hat einen oder mehrere Schwerpunkte oder Spezialgebiete. Und die Kriminologie bietet tatsächlich (fast) jedem etwas. Oft nennen sich Juristen oder Kriminalisten auch Kriminologen; einen rechtlichen Schutz zum Führen dieser Bezeichnung (mit Ausbildungs- und / oder Qualitätsstandards) gibt es in Österreich nicht. Ein/e echte/r Kriminologe/in hat prinzipiell nur Kriminologie studiert (im deutschsprachigen Raum z.B. an der UNI Hamburg (Masterstudiengang). Was aber nichts daran ändert, dass in realiter viele Professionen (durchaus auch hauptberuflich und höchst erfolgreich) als Kriminologen tätig sind. Ein Hinterfragen der akademischen Grund- oder Zusatzausbildung Kriminologie kann darüber Aufschluss ergeben.

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Der Historiker unter den Kriminologen zählt akribisch die raumzeitliche Entwicklung der Kriminologie auf, einer Kriminologie, die im Mittelalter von Theologen und / oder Philosophen getragen war und ihren Namen erst später erhielt.

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Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang Thomas von Aquin [1], der schon im 13. Jh. eine Einheit zw. Verbrecher und Sünder sah.

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Später geht es weiter beim Franzosen Paul Topinard [2], den Italienern Cesare Lombroso [3] und Rafaele Garofalo [4].

Dann kommt man zum Österreicher Dr. Hans Gross [5] (der oft als Kriminologe genannt wird, aber eigentlich der Begründer der modernen Kriminalistik war).

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Weiter geht es mit David Emile Durkheim [6], als der Vater der Soziologie (eventuell der sog. Kriminalsoziologie).

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Unbedingt erwähnt werden müssen auch Karl Marx, Friedrich Nietzsche, später dann Robert K. Merton, Talcott Parsons, Albert Kircidel Cohen, Edwin Hardin Sutherland [7], Clifford Robert Shaw [8], Niklas Luhmann, Paul-Michel Foucault, Lois Waccant, Howard Saul Becker, Fritz Sack, Sebastian Scheerer, Helge Peters, Henner Hess, Heinrich Popitz, Nils Christie, Daniela Klimke, Aldo Legarno usw. [9].

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Zu und von all diesen Persönlichkeiten gibt es am Markt unzählige Literatur und originäres oder übernommenes und weiterentwickeltes kriminologisches / (kriminal-)soziologisches Material. Der interessierte Leser wird es leicht finden.

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Sie alle trugen oder tragen immer noch dazu bei, dass die unterschiedlichsten Schwerpunkte [10] der Kriminologie existieren, erforscht, beschrieben, gelehrt und publiziert  werden, und dass unser Bild von der Kriminologie (mit ihren Alternativ-, Substitutions- und / oder Komplementaritäts-Wissenschaften wie z.B. der Kriminalistik, Forensik, Biologie, Chemie, Physik, Medizin, Mikro- und Makropolitik usw.) sich stetig verbessert, vertieft und erweitert.

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Ein anderer Fokus wäre die Schwerpunktlegung auf: die Tat, den Täter, die Tätergruppe, das Opfer, die Gesellschaft, die Normgenese, die Strafverfolgung, die Strafvollstreckung, den Strafvollzug usw.. Wieder ein anderer Fokus wäre die Kriminalität im Altersverlauf [11] oder geschlechtsspezifische Kriminalität.

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Wie man sieht, gibt es viele Möglichkeiten, sich der Kriminologie hinzugeben und seine persönliche Leidenschaft kriminologisch-fokussiert zu leben. Hier gibt es etwas Neues, etwas Erweitertes: hier wird der Versuch gestartet, das Exekutivorgan (den / die Polizisten/in) in den kriminologischen Fokus zu stellen und alle Facetten des polizeilichen Seins (als Organwalter und als Persönlichkeit bzw. erweitert als Individuum per se, also nicht als Polizei-Behörde oder Institution – aber doch als Angehörigen und Mitarbeiter dieser) aufzuzeigen.

Als ein weiterer oder vielleicht sogar als den wirkmächtigsten Schwerpunkt wäre die (delinquente / deviante / normabweichende– also kriminologisch, kriminalistisch und forensisch bedeutende) Mikropolitik in der (Polizei-)Behörde, als Organisation / Institution (realisiert allerdings von Individuen bzw. Personengruppen) zu thematisieren.

Was ist eigentlich Kriminologie? Der interessierte Leser wird schnell merken, es gibt sie nicht, die eine alles umfassende Definition.

Eine Definition besteht aus zwei Teilen: Definition = Definiendum und Definiens.

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Das Definiendum ist der Gegenstand, welcher definiert und von anderen Gegenständen abgegrenzt wird. Abgrenzungen i.S.v.: Ähnlichkeit – Gleichheit – Identität. Das Definiens ist der Teil der Definition, in welchem alle Eigenschaften aufscheinen, die dieses Definiendum ausmachen.

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Es ist also eine Relation mit zwei Gliedern, die einander direkt entsprechen müssen [12]. Z.B.: ein Verbrecher (Definiendum) ist (und hier beginnt das Definiens) ein Mensch, welcher eine kriminelle Tat begangen hat, von der Strafverfolgungsbehörde angeklagt und von einem Gericht rechtskräftig bestraft wurde (unabhängig von Wiedergutmachung, Sühne, Kompensation, Strafe oder Strafnachsicht).

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Wiederum eine weitere Mehrfachrelation wäre:  zwischen Täter – Opfer – Tatort – Tatzeit – Schaden – Kriminalisten – Staatsanwalt – Richter – Strafvollzug. Oder auch zw. Täter – Opfer – Zeugen – Betroffenen – Beteiligten – sozialer Gemeinschaft. Oder: zw. formellen Recht – materiellem Rech. Oder: zw. Wissenschaft – Höchstgerichte – Parlament – Medien – Rechtsvertreter und das alles auf unterschiedlichen Kontinenten und im Zeitablauf (Steinzeit, Mittelalter, 18. Jhdt., 19. Jhdt. oder Jetztzeit, in Österreich, Afrika, Australien, Südamerika usw..  Weiters: Verjährung – Immunität – Verzeihung – Rache – Sühne – Verständnis – Unverständnis – Hass – Liebe usw.).

 

Man könnte daher grob sagen:

Kriminologie ist die Lehre über Verbrecher, über Verbrechen und über Konsequenzen aus dieser Konstellation.

Nur kommt man auch hier wieder in Argumentationsnot, denn was unterscheidet eine (erlaubte) Tat, von einer kriminellen Tat – was ist eigentlich ein Verbrechen (ein Mensch, der einen grausamen tyrannischen Herrscher erschlägt, ist ein Held, ein Mensch, der einen liebevollen gütigen Herrscher erschlägt, ist ein Verbrecher! Wieviele Menschen wird es geben, die den Herrscher als grausamen Tyrannen und wieviele Menschen wird es geben, die den Herrscher als liebevoll und gütig, bezeichnen werden). Hier spricht man von Potestas (erlaubte Gewalt der Staatsorgane) versus Violentia (verbotene Gewalt bei z.B. Demonstrationen). Was aber, wenn im Zuge von Potestas diese gegenüber Unbeteiligten (vorschriftswidrig gem. eines hinterher ergangenen Gerichtsurteils gegen ein Staatsorgen) angewandt wurde. Hat dann das Staatsorgan Violentia angewandt?! Schäden, die durch Potestas angerichtet werden, werden vom Staat kompensiert; aber was ist, wenn das Staatsorgan gar nicht Potestas, sondern Violentia realisierte?

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Man sieht, man muss kriminologische und / oder mikropolitische Sachverhalte interpretieren und einen Standpunkt einnehmen. Hier gibt es schon wieder ein Problem: welcher Standpunkt ist der richtige, und wer darf interpretieren und daraus verbindliche Konsequenzen ableiten? Und wie hoch darf eine eventuell angemessene Strafe sein? Und wo ist diese Strafe zu verbüßen, und wie lange sollte sie dauern? Und überall, wo es eine Regelung gibt, gibt es Ausnahmen und auch Ausnahmen von den Ausnahmen.

Wie man sieht, bewegt man sich mit der Kriminologie / Mikropolitik in vielen Bereichen (die schon existieren und auf ihrem Gebiet teilweise auch schon empirische Erkenntnisse gewonnen, Theorien aufgestellt und alles wissenschaftlich bearbeitet haben.

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Die wichtigsten Gebiete wären: Juristerei, Kriminalistik, Makropolitik, Mikropolitik, Arkanpolitik, Biologie, Medizin, Soziologie, Psychologie, Psychiatrie, Forensik, Sicherheitspolitik, Kriminalpolitik, Arbeits-, Jugend-, Familien-, Wohnbau-, Fremden-, Asyl-, Kinder-, Schul- und Beschäftigungspolitik, Viktimologie, Pönologie, Punitivität, alle Bereiche des Personal-, Organisations-, Zeit-, Qualitäts-, Security-, Safety-, Budget-, Leadership- und Ressourcen-Managements. Und in all diesen Bereichen gibt es weitere Parameter: Legalität, Legitimität, Extralegalität, Illegalität, Legitimation, De-Illegalisierung, Ethik/Moral, Ästhetik, Kompetenz, Performanz, Loyalität, Solidarität, Resilienz, Suszeptibilität, Salienz, Responsibilität, Responsivität usw.. Hier können also viele Experten ihr Gutachten abgeben und je nach Bedarf nimmt man das, was man braucht.

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Auch wenn es in so manchem kritischen Auge noch Verbesserungspotential geben mag, so mag dieser Verein und die auf dieser Website angebotene Lektüre als ein Anfang des Verstehens von bereits Existierendem und als Anfang von neuen Hypothesen, Theorien und Ideen oder als Erweiterung von bereits Ähnlich-Existenten, gesehen werden.

Jeder Besucher auf dieser Website wäre hiermit eingeladen, diesen Weg gemeinsam mit dem Verein dieser Website noch weiter zu gehen und neue Grenzen zu finden. Möge das ignis philosphicus [13] und der lapis philosophorum [14] mit jedem von uns sein.

 

 [1] 1225 – 07.03.1274; Dominikaner(priester), Theologe und Philosoph … had argued that there is a God-given ‚natural law‘ that is revealed by observing – through the eyes of faith – the natural tendency to do good rather than evil. Those who violate the criminal law are therefore not only criminals but also ‘sinners’ and thus crime not only harms victims but also the offender because it damages their essential ‘humanness’ or natural tendency to do good (Bernard, 1983) (Roger Hopkins Burke, An Introduction to Criminological Theory, Taylor & Francis 2011, ISBN 978-1-84392-407-4, S. 1f.).

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[2] 4.11.1830 – 20.12.1911; er war Arzt und ein (biol.) Anthropologe und Polygenist (die Abstammung des Menschen / der Menschheit von unterschiedlichen Ursprüngen, was mit der Monogenie (DNS-Vergleich) wiederlegt scheint – siehe die sich bei allen / den meisten Experten durchgesetzte Theorie über den modernen Menschen: Out of Africa.

[3] 06.11.1835 -19.10.1909; er war Arzt und Kriminologe. Er war der Ansicht, dass Kriminelle sich von Nichtkriminellen unterscheiden und man dies an den physischen Anomalien erkennen kann (anthropometrische Studien).

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[4] 18.11.1851 – 18.04.1934; er war Jurist und der erste Italiener, welcher sich Kriminologe nennen konnte (Vater der Kriminologie). Im Gegensatz zu Cesare Lobroso (der sein Lehrer war) vertrat er eher einen psychologisch-biologischen denn einen physiologisch-anthropologischen Standpunkt.

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[5] 26.12.1847 – 09.12.1915; er war Jurist und Begründer der modernen Kriminalistik (und mit Verlaub, auch der Vorreiter der Forensik).

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[6] 15.04.1858 – 15.11.1917; er war ein französischer Soziologe, Psychologe und Philosoph. Er postulierte: Es gibt keine Gesellschaft, in der keine Kriminalität existierte … Normal ist einfach die Tatsache, daß eine Kriminalität besteht, vorausgesetzt, daß sie sich im Rahmen des gegebenen Typs hält, dessen Höhe im Sinne der vorgehenden Regeln festgestellt werden kann, und ihn nicht überschreitet (Emile Durkheim, Die Regeln der soziologischen Methode, suhrkamp wissenschaft 464, Hrsg. René König, 1984, ISBN 3-518-28064-3, S. 156 f.).

[7] Er erweiterte den Ansatz der Unterschichtkriminalität (blue collar-crime) auf die Mittel- und Oberschichtkriminalität (white collar-crime). Dieser Ansatz wird in dieser Arbeit durch die gold collar-crime, gold halo-crime, red collar crime und black collar-crime erweitert.

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[8] Gefährlicher Raum – i.S.v. kann der Raum für Kriminalität verantwortlich sein (niedrige oder keine soziale Kontrolle in verkommenen und heruntergekommenen Stadtteilen mit verfallenen Häusern usw.; ökologischer Ansatz der Kriminologie).

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[9] Man möge mir verzeihen, wenn ich nicht alle Vertreter der Kriminologie aufzähle.

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[10] Eine mögliche Form der Einteilung wäre (siehe z.B. Roger Hopkins Burke, 2009: 1: the rational actor model of crime and criminal behavior; 2: the predestined actor model of crime and criminal; 3: the victimized actor model of crime and criminal; 4: integrated theories of crime and criminal behavior; 5: crime and criminal behaviour in the age of moral uncertainty. Oder siehe Beispiel Daniela Klimke / Aldo Legnaro (Kriminologische Grundlagentexte, Springer, 2016, ISBN 978-3-658-06503-4): Zur Einführung / Die sozialen Funktionen der Kriminalität / Die gesellschaftliche Herstellung sozialer Probleme / Die Etikettierung zum Abweichler / Ökonomie von Kriminalität und Strafe / Sozialstruktur und Kriminalität / Erweiterte Verbrechensdimensionen / Von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft.

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[11] Altersabhängige Kriminalität (individuell unterschiedliche Delinquenzsetzung; Delinquenzvariationen im Lebensverlauf; Delinquenzqualität und -quantität im Zeitablauf oder in der Stratifikation der Gesellschaft; Delinquenzzuschreibungstheorien und –prozesse usf.).

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[12] Wie z.B.: Ein Kilometer ist eine Entfernung, für dessen Zurücklegung ein Auto mit den Maßen und dem Gewicht x, mit einem Verbrennungsmotor mit y PS, aus dem Stand, mit einer Beschleunigung von z, auf ebener Asphaltstraße und bei Windstille, u Sekunden braucht; es geht nicht, zu sagen: ein Kilometer ist eintausend Meter, ist hunderttausend Zentimeter, denn diese Aussagen sind schon im Wort Kilometer enthalten und würden nichts Neues aussagen.

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[13] Feuer der Weisheit.

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[14] Stein der Weisen.

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